Standortbestimmung nach Olympia
Am Mittwoch startet in Santiago de Chile die Bahn-Weltmeisterschaft. Sie ist eine erste echte Standortbestimmung im Jahr 1 nach den Olympischen Spielen. Das gilt vor allem im Sprintbereich, denn die Frauen, die in Paris Bronze holten, haben letztes Jahr bei der WM in Ballerup gefehlt, und in diesem Jahr gab es nicht viele internationale Wettkämpfe. Nach der EM im Februar in Belgien und dem einzigen Nationencup im März in der Türkei folgt jetzt erstmals wieder ein Kräftemessen auf höchstem Niveau.
Roger Kluge (links) und Tim Torn Teutenberg gewannen 2014 in Ballerup Gold im Madison.

„Ja es wird eine Standortbestimmung. Wo stehen wir, haben wir es geschafft, die Lücke zu schließen?“, fragt  Kurzzeit-Bundestrainer Jan van Eijden.  Denn die Sprinter gingen im letzten Jahr bei der WM leer aus. Einige Top-Athleten fehlten, gönnten sich nach den Olympischen Spielen in Paris eine längere Wettkampfpause. Jetzt wollen sie – mit Ausnahme von Emma Hinze, die wegen ihrer Schwangerschaft auch in Chile fehlen wird – wieder an alte Zeiten anknüpfen.  „Die Zeiten werden von Tag zu Tag besser,“ freut sich van Eijden über das gute Leistungsniveau seiner Athletinnen und Athleten, die sich in Frankfurt/Oder den letzten Schliff vor den Weltmeisterschaften in Chile holten.

Lea Sophie Friedrich, die bei den Olympischen Spielen in Paris Silber im Sprint und Bronze im Teamsprint gewann, will genau da wieder anknüpfen. „Für mich ist neu, dass ich die Priorität eher auf die Einzeldisziplinen lege,“ weiß Friedrich, dass es ohne die schwangere Emma Hinze schwer werden wird, nach einer Medaille im Teamsprint zu greifen. Sie habe sich, so sagt die 25-Jährige, nach Olympia schwer getan im Training, brauchte Zeit, um wieder zurückzufinden zum Hochleistungssport. „Bei der EM habe ich mich noch nicht wirklich im Wettkampfmodus gefühlt“, sagte Friedrich vor dem Abflug nach Chile und verriet, dass man im Training einiges umgestellt hat. „Wir haben trainingsmethodisch einiges verändert, ich bin gespannt, wo es uns hinführen wird.“

Zusammen mit Pauline Grabosch und Alessa Pröpster tritt sie nun in Chile im Teamsprint an. Nur diese Drei sind nach Südamerika gereist, da Clara Schneider nach einer Virusinfektion noch immer nicht hundertprozentig fit ist. Ob sie es ins Finale schaffen, ist aber noch nicht sicher. „Wir mussten wieder umstellen, basteln an der optimalen Besetzung,“ weiß Bundestrainer van Eijden, dass der Gewinn einer Medaille kein Selbstläufer ist. Die Konkurrenz schläft nicht. Mannschaften aus Großbritannien, Neuseeland, Japan und China haben aufgeholt.

„Im 1000-Meter-Zeitfahren bin ich bei der DM eine 1:06 gefahren, das will ich verbessern. Ich wünsche mir natürlich in jeder Disziplin gut durch die Quali zu kommen und um die Medaillen zu fahren,“ steckt sich die achtfache Weltmeisterin Lea Friedrich klare Ziele.

Bei den Männern werden Nik Schröter, Luca Spiegel und Maximilian Dörnbach voraussichtlich den Teamsprint bestreiten. Dörnbach und Spiegel sind außerdem fürs Keirin vorgesehen, Dörnbach und Henric Hackmann starten im 1000m-Zeitfahren. Das Sprintturnier besetzt Bundestrainer Jan van Eijden endgültig erst vor Ort.

Mit sieben Fahrern wird die Ausdauermannschaft der Männer nach Südamerika fliegen. Auf dem Vierer liegt der Schwerpunkt. „Aber wir haben natürlich auch die anderen Olympischen Disziplinen, Omnium und Madison, im Blick,“ sagt Bundestrainer Luca Schädlich.

Mit Tim Torn Teutenberg und Roger Kluge fand die Bahn-Weltmeisterschaft 2024 in Ballerup bei Kopenhagen einen krönenden Abschluss. Das deutsche Duo gewann im Madison die Goldmedaille. Kluge will Ende Oktober in Chile erneut nach Edelmetall greifen, dann aber ohne Teutenberg, der wegen Verpflichtungen in seinem Team Lidl-Trek nicht an den Bahn-Weltmeisterschaften teilnehmen wird. In Chile fährt Kluge zusammen mit Moritz Augenstein, der das erste Mal bei einer Weltmeisterschaft der Elite im Nationaltrikot antreten wird.  Der Neuling freut sich auf den Start an der Seite des Brandenburgers. „Einen besseren Partner als ihn kann man sich nicht wünschen“, freut sich Augenstein auf die Titelkämpfe, wo er außerdem im Omnium und Ausscheidungsfahren starten soll. Kluge wird noch im Punktefahren antreten.

Roger Kluge blickt optimistisch auf die WM und hat klare Ziele: „Die letzten Trainingseinheiten liefen gut, und ich gehe optimistisch in diese WM. Ich freue mich auf eine neue Bahn, auf ein neues Land. Im Madison starte ich mit einem neuen Partner. Das war in der Vergangenheit immer ein gutes Omen. Wenn wir gut in den Wettkampf reinfinden, ist sicherlich alles möglich. Eine Medaille ist das klare Ziel,“ sagt der routinierte Titelverteidiger.

Der Kader absolvierte ein Höhentrainingslager in Livigno und ging danach zum Abschlusslehrgang nach Frankfurt/Oder, um sich den letzten Schliff zu holen.

Der Vierer feierte im vergangenen Jahr in Ballerup einen historischen Erfolg, gewann die erste Medaille (Bronze) seit 22 Jahren. „Daran wollen wir anknüpfen und jetzt die nächsten Schritte gehen,“ sagt Schädlich und sieht die Mannschaft auf einem guten Weg. Benjamin Boos, Felix Groß, Felix Jochum, Moritz Binder und Max-David Briese sind für den Vierer vorgesehen.  Boos, Brise und Jochum gewannen im Sommer zusammen mit Bruno Keßler EM-Silber bei der U23-EM in Apeldoorn. Keßler musste wegen Krankheit passen.

Die dritte deutsche Medaille holte im vergangenen Jahr der deutsche Frauenvierer. Lisa Klein, Mieke Kröger, Franziska Brauße, Laura Süßemilch und Lena Charlotte Reißner gewannen in Ballerup Silber und wollen wieder aufs Podest. Zum Kader gehört auch Messane Bräutigam, die im Februar einen guten Einstand in der Eliteklasse bei den Europameisterschaften in Zolder feierte. Im Sommer gewann Bräutigam bei der U23-EM in Anadia zweimal Gold, im Madison und im Scratch und gehörte zur Formation der Mannschaftsverfolgerinnen, die über Silber jubelten.

„Ich denke, wir sind gut drauf. Die ersten Trainingseinheiten verliefen gut,“ berichtet Olympiasiegerin Brauße aus dem Trainingslager in Frankfurt/Oder. Zuvor war der Kader ebenfalls in Livigno zum Höhentraining. Und zwischen Livigno und Frankfurt/Oder gab es noch einen Abstecher zur Straßen-EM nach Frankreich, wo sie, Mieke Kröger und Lisa Klein, in der Mixed Staffel angetreten sind. „Wir sind sehr motiviert für die WM,“ sagt die 26-Jährige. Im letzten Jahr in Ballerup verpasste Brauße als Vierte nur knapp das Podium in der Einerverfolgung. Gold und Silber gingen 2025 an die Britin Anna Morris und Chloe Dygert aus den USA. Sie zählt Brauße auch diesmal zu den größten Konkurrentinnen.

Die ersten Entscheidungen der Bahn-Weltmeisterschaften in Chile fallen am Mittwochabend im Teamsprint der Männer und Frauen. Insgesamt werden Medaillen in 22 Disziplinen (jeweils elf bei den Männern und elf bei den Frauen) vergeben.

 

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