Trauer um Rudi Altig
Rudi Altig hat viele Kämpfe gewonnen. Diesen nicht. Am heutigen Samstag ist Deutschlands letzter Straßenweltmeister im Alter von 79 Jahren seiner Krebserkrankung erlegen. Er verstarb im Krankenhaus von Remagen, unweit seiner Heimatstadt Sinzig am Rhein, wo der der gebürtige Mannheimer viele Jahrzehnte lebte. Im kommenden März wollte er seinen 80. Geburtstag groß feiern, so wie seinen 70. damals, am 18. März 2007 im Kurhaus von Bad Neuenahr. Dazu kommt es nun nicht mehr.

„Rudi Altig war ein besonders erfolgreicher Radsportler, in vielen Disziplinen, mit vielen Titeln. Was Rudi Altig herausragend machte, waren seine unverstellte Art, seine herzliche Direktheit und seine Lebensfreude. Sie hat ihm geholfen, auch sehr schwere Kämpfe um seine Gesundheit lange zu bestehen. Die Menschen spürten das alles und sie haben ihn deshalb besonders gemocht; auch ich. Wir trauern um Rudi Altig und drücken seiner Familie unser herzliches Beileid aus“, sagte BDR-Präsident Rudolf Scharping zum Tode Rudi Altigs.
Rudi Altig war in zweiter Ehe seit 1981 mit der Schweizerin Monique verheiratet mit der er zwei Kinder hat. Aus seiner ersten Ehe stammt Tochter Iris. Rudi Altig war Deutschlands populärster Radfahrer. Vor 50 Jahren, am 28. August 1966, wurde er auf dem Nürburgring Straßenweltmeister der Profis. 18 Tage trug er das Gelbe Trikot in der Tour, feierte zahlreiche Etappensiege (acht bei der Tour de France) in großen Rundfahrten, trug das Grüne Trikot der Tour nach Paris und gewann die Klassiker Flandern-Rundfahrt (1964) und Mailand-San Remo (1968). Seine Popularität verdankte er aber auch seiner offenen und herzlichen Art. Diplomatie war nie seine Sache. Er sagte, was er dachte. Immer.
Bis vor wenigen Jahren saß er noch regelmäßig im Sattel, fuhr seine 50 Kilometer, aber seine Liebe gehörte in den letzten Jahren dem Golfsport. Er nahm an zahlreichen Promiturnieren teil und sammelte für wohltätige Zwecke. Rudi Altig war mit den Menschen aller Schichten auf Du und Du. Wenn er Geschichten von früheren Zeiten erzählte, klebten ihm die Leute an den Lippen. Er fuhr Seite an Seite mit den Bundespräsidenten, hatte aber auch immer ein gutes Wort für den „Mann von der Straße“.
Von dort kam er, der gelernte KFZ-Mechaniker, der mit 15 Jahren sein erstes Rennen für den RRC Endspurt Mannheim bestritt und im Januar 1952 bei einem Querfeldeinrennen seinen ersten Sieg feierte. Zusammen mit seinem Bruder Willi zog es ihn bald auf die Bahn. Beide reisten in den 50er Jahren mit dem Zug zu den Radrennen. Vier deutsche Meistertitel (1957 Sprint, 1958 und 1959 Zweier-Mannschaftsfahren mit Bruder Willi und 1959 die 4000-m-Einerverfolgung) gingen dem WM-Titel in der Einerverfolgung bei den Bahn-Weltmeisterschaften 1959 voraus, dem zwei weitere WM-Titel bei den Profis folgen sollten. Altig stellte auch zwei Weltrekorde über 1000 und 5000 Meter auf. Die Radrennbahn in seiner Heimatstadt Mannheim trägt seinen und seines Bruders Namen.
Nach seiner aktiven Laufbahn wurde Altig 1971 Bundestrainer der Straßenamateure, später war er technischer Direktor beim französischen Radsportteam Puch, technischer Berater beim deutschen Fahrradhersteller Schauff und Rennleiter diverser Rennsportveranstaltungen in Deutschland, wie bei Rund um Köln, das er am Sonntag zur 100. Austragung besuchen wollte, oder dem Frankfurter Klassiker Rund um den Henninger Turm, den er 1970 gewann. Darüber hinaus war er als Radsport-Experte bei verschiedenen Fernsehsendern zu sehen, wo er sehr offen Stellung zum Thema Doping bezog und kein Geheimnis daraus machte, dass auch er früher nicht immer „sauber“ gefahren ist.
1994 erkrankte er an Krebs und es musste ihm der Magen entfernt werden. „Wer es nicht weiß, merkt es gar nicht, dass ich da ein bisschen eingeschränkt bin und manchmal nur kleine Portionen essen kann“, sagte Altig danach. Seinen „Roten“ ließ er sich auch weiter schmecken und seine Lebensfreude auch von seiner Krankheit nicht nehmen. .
Zahlreiche Exponate, Trophäen und Medaillen zierten die Vitrinen in seinem Haus in Sinzig, darunter das Bundesverdienstkreuz und der Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz. Nur sein Regenbogentrikot, das er 1966 am Nürburgring gewann, fehlte. „Das habe ich nach der Siegerehrung dem Patron meines italienischen Rennstalls, Pietro Molteni, geschenkt.”, sagte er vor ein paar Jahren auf Nachfrage. Und die Verwunderung darüber, dass dies keiner wusste, konterte Altig trocken: „Es hat mich ja auch keiner danach gefragt.” Ein Duplikat hängt heute im Haus der Geschichte in Bonn.
Sein 50. WM-Jubiläum, und das große Profirennen, das auf dem Nürburgring im Juli stattfinden soll, wird er nun nicht mehr miterleben. Mit Rudi Altig verliert der deutsche Radsport einen der ganz großen Rennfahrer seiner Zeit.

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