Radball in Corona-Zeiten

Der Neue im Amt des Radball-Bundestrainers wollte an vielen Stellen anpacken – dann kam Corona. Jörg Latzel sah nur zwei Liga-Runden, dann begann der Stillstand auf und rund um die Spielflächen. Umso mehr brainstormen die Verantwortlichen im Hintergrund. „Konzepte erstellen, Kommissionsarbeit betreiben“, beschreibt der 59-Jährige die Aktivitäten der vergangenen Wochen. Während die II. Liga ganz abgesagt wurde, sollen bei der Elite im Herbst wieder die Rosshaarkugeln rollen.

Das große Aber jedoch kann auch Latzel nicht negieren. Ob die Heim-Weltmeisterschaft wie geplant Ende November in der Stuttgarter Porsche-Arena über die Bühne gehen kann, ist offen. Im August wollen sich UCI, BDR und die Veranstalter dazu positionieren. Bis dahin gilt es, die aktuellen Qualifikations-Richtlinien anzupassen. Bekanntlich kann nur ein Team Deutschland vertreten – ein Punktesystem basierend auf Bundesliga, Deutschland-Pokal und nationaler Meisterschaft entscheidet darüber.

Zur Diskussion steht, die letzten drei Bundesliga-Runden im September zu absolvieren. Ob Ausrichter für die beiden Final-5-Turniere zu finden sind, ist offen. Radball-Turniere vor leeren Rängen und damit ohne Erlöse an den Verpflegungsständen sind kaum vorstellbar. Die Realität sieht so aus: die ausrichtenden Vereine kommen halbwegs über die Runden, weil Oma Kuchen backt, die Kids Brötchen schmieren und alle zusammen die Anwesenden verköstigen. Nur so funktioniert nicht-olympischer Sport an der Basis.

Bisher erlaubten die unterschiedlichen Regeln nicht einmal überall uneingeschränktes Training der Zweier-Teams, Chancengleichheit ist kaum herstellbar. Aber das Jammern gehört nicht zum Repertoire von Radballern. Also arbeitet man an Ersatzlösungen. Im nächsten Monat versammelt Latzel die fünf Teams des A/B-Kaders (die Vize-Weltmeister aus Stein, die Bundesliga-Führenden aus Obernfeld sowie Schiefbahn, Waldrems, Naurod und ein U23- oder U19-Duo) zum Lehrgang in Frankfurt. „Die wollen endlich wieder auf dem Rad sitzen, spielen, sich sehen. Wir haben entsprechend viele Wettkampfformen vorgesehen – und das vorher in den WhatsApp-Gruppen thematisiert.“

Dass manches erfolgsversprechende Szenario morgen wieder im Reißwolf landen könnte, gehört zur aktuellen Entwicklung. Der Optimismus und die Aktivitäten am grünen Tisch aber leiden darunter nicht. So eruiert eine Gruppe von Idealisten Möglichkeiten für eine Radball-Europameisterschaft im Spätherbst. In einer vereinseigenen Darmstädter Halle, angepasst an die Hygiene-Vorgaben. Da keimt ein Hoffnungsschimmer, der auch im Ausland auf Interesse stößt. Wird am Ende eine EM light zum Saison-Höhepunkt?

Radball elektrisiert auch, weil die Cracks und ihre Fans für Emotionen stehen. Wenn die Supporter aus Uri mit ihren überdimensionalen Kuhglocken aufmarschieren, vibrieren die Hallen, sorgt jeder Torschuss für Ekstase. 2020 wohl ebenso wenig machbar wie legendäre After-Match-Parties? „Abwarten“, sagt Jörg Latzel, der aber nicht verhehlt, dass er sich das große Ganze in absehbarer Zeit nicht vorstellen kann.

 

Radball-Bundestrainer Jörg Latzel.     Foto:BDR

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