„In allen Disziplinen Medaillenchancen“

Wenn am kommenden Donnerstag in Glasgow die Bahn-Wettbewerbe beginnen, stehen aus deutscher Sicht vor allem die Sprinterinnen im Fokus, die seit Jahren von Medaille zu Medaille sausen und auch in Glasgow die Top-Favoritinnen in allen Disziplinen sind.

„Wir haben bei den Frauen sicherlich in allen Disziplinen Medaillenchancen,“ weiß Jan van Eijden, Kurzzeit-Bundestrainer im BDR, um die Stärke seiner Fahrerinnen. Niemand auf der Welt ist erfolgreicher als das Trio Emma Hinze, Lea Friedrich und Pauline Grabosch, die als Titelverteidigerinnen im Teamsprint an den Start gehen. Lea Friedrich gewann im letzten Jahr auch den Titel im Keirin, war Zweite im Sprint vor Emma Hinze, die außerdem noch Silber im 500-m-Zeitfahren gewann. Hinze hat insgesamt sechs WM-Titel in ihrer Vita. Friedrich sogar sieben, Grabosch war viermal Weltmeisterin im Teamsprint. Das ist eine beispielhafte Bilanz.

In Glasgow werden sie mehrere Podestplätze avisieren, Hinze und Friedrich starten im Sprint, Keirin und im Teamsprint, die wichtigste Disziplin mit Blick auf die Olympia-Qualifikation. Van Eijden räumt aber auch ein, dass die Konkurrenz stärker geworden ist. Die Chinesinnen und Britinnen werden besser, die Französinnen und Kanadierinnen sind es sowieso.

Auch im Männerbereich, wo es primär darum geht, die Olympia-Qualifikation abzusichern, ist die Leitungsdichte hoch.

„Natürlich träumt man immer von einer Medaille,“ sagt Maximilian Dörnbach, der als dritter Fahrer im Teamsprint eingesetzt wird. „Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen realistisch bleiben.“ Und Bundestrainer van Eijden räumt ein: „Die Niederländer und Australier fahren auf einem anderen Level.“

Im Teamsprint der Männer muss Bundestrainer Jan van Eijden auf Stefan Bötticher verzichten, der vor fünf Jahren in Glasgow Europameister im Keirin wurde. Den Chemnitzer quälten lange Bandscheibenprobleme, er ist noch nicht wieder hundertprozentig fit. Für ihn rückt Nik Schröter (RSC Cottbus) ins Team, der den Bundestrainer beim letzten Vorbereitungslehrgang überzeugen konnte.

Anfahrer im Teamsprint ist der junge Lucas Spiegel aus der Pfalz, der bei den Elite-Europameisterschaften im Februar in Grenchen in der Schweiz einen starken Eindruck hinterließ. Danach wird Schröter übernehmen und schließlich Dörnbach, der außerdem seine Chancen im 1000-m-Zeitfahren und wahrscheinlich im Keirin nutzen wird.

„Meine Form ist gut, aktuell so gut wie noch nie. Aber ich mache mir nicht zu viel Druck,“ blickt der Cottbuser optimistisch nach Glasgow. Wichtig ist für die Männer mit einer guten Platzierung im Teamsprint die Olympia-Qualifikation für Paris abzusichern.

Auch die Frauen haben gelernt, besser mit dem Druck umzugehen. „Wichtig ist es, dass die Form über längere Zeit stabil bleibt,“ sagt Lea Friedrich zu Glasgow, wo die Bahn-Wettbewerbe nicht wie sonst in fünf, sondern diesmal in sieben Tagen ausgetragen werden, weil auch noch die Paracycler ins Programm genommen wurden. Mental werde sie sich nicht zu viel Druck machen, trotz der hohen Erwartungen, die an die siebenfache Weltmeisterin von außen gestellt werden.

Auch Emma Hinze hat das im Griff. Als dreifache Weltmeisterin ist sie bei den Olympischen Spielen in Tokio gestartet und stand sehr unter Beobachtung. „Alle sind voll gegen mich gefahren, jeder wollte mich schlagen. So eine Situation kannte ich vorher nicht. Aber daraus habe ich gelernt,“ sagt Hinze, die im 500-m-Zeitfahren als amtierende Europameisterin ein persönliches Startrecht hat. Ob sie fahren wird, das entscheidet sie gemeinsam mit dem Bundestrainer vor Ort.

Teamkollegin Lea Sophie Friedrich aus Dassow hat sogar einen WM-Titel mehr als Emma Hinze in ihrer Palmares. Was noch fehlt ist der Einzelsieg im Sprint. Ihm jetzt unbedingt nachzujagen, darin sieht die 23-Jährige keine Notwendigkeit. „Alle Disziplinen haben ihre Qualität, im Team zu gewinnen ist ein unbeschreibliches Gefühl. Den Keirin-Titel zu verteidigen wäre auch schön, aber ich will mich da nicht festlegen, sondern versuche entspannt und mit einer gewissen Leichtigkeit an meine Aufgaben heranzugehen,“ sagte sie wenige Tage vor der Abreise nach Schottland.

An Rekorden sind beide Sprinterinnen ohnehin nicht interessiert. „Jeder Weg ist unterschiedlich, jeder Mensch ist unterschiedlich,“ will Hinze nichts davon wissen, ob sie eines Tages den Rekord von Kristina Vogel mit elf WM-Siegen brechen könnte. Es seien andere Zeiten, meint die 25-Jährige. „Es hat in den letzten Jahren große Sprünge gegeben, die Siegerzeit von Rio würde heute nicht einmal mehr reichen, um sich fürs Sprint-Finale zu qualifizieren,“ sagt Hinze, die kritisiert, dass es so viele internationale Wettkämpfe auf der Bahn in so kurzer Zeit gibt.

Innerhalb eines Jahres finden 2022/2023 auf der Bahn zwei Welt- und zwei Europameisterschaften statt. „Das kenne ich von keiner anderen Sportart,“ sagt Hinze, die sich natürlich trotzdem auf die WM freut. „Ich finde es cool, dass mal alle Radsport-Disziplinen zusammen an einem Ort präsentiert werden. Das ist eine Chance, mehr Leute für den Radsport zu begeistern.“

 

Die BDR-Nominierung Bahn Kurzzeit

Männer       
Dörnbach, Maximilian (1998/RSC Cottbus)
Jurczyk, Marc (1996/Turbine Erfurt)
Schröter, Nik (1998/RSC Cottbus)
Spiegel, Lucca (2004/RV Offenbach)
Weinrich, Willy (2003/TSV 1891 Breitenworbis)
 
Frauen     
Friedrich, Lea Sophie (2000/RSC Cottbus)
Grabosch, Pauline (1998/RSC Cottbus)
Hinze, Emma (1997/RSC Cottbus)
Pröpster, Alessa Catriona (2001/RV Offenbach)

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